Krisen oder Psychische Probleme im Medizinstudium – Ein tabuisiertes Thema?

In einer Umfrage, die von der AG Pass-auf-dich-auf – eine Gruppe der Fachschaft Humanmedizin Regensburg – in den letzten Wochen (Mitte April 2020) durchgeführt worden ist, stellt sich eine bisher eher unterschätzte Problematik zur Tabuisierung von psychischer Überforderung im Medizinstudium dar und zeigt einen offensichtlichen Handlungsbedarf auf.

Die Aktion ist mit viel Befürwortung und Unterstützung wahrgenommen worden. Innerhalb von zwei Wochen beteiligten sich über 400 Medizin-Studierende aus Regensburg an der Umfrage.

Die Ergebnisse unserer Befragung decken sich mit Meta-Analysen aus Amerika oder einer kürzlich organisierten Befragung des Marburger Bundes Sachsen.

Statt psychische Probleme als Charakterschwäche abzustempeln, erhoffen wir, einen Beitrag liefern zu können, realistische Bilder über die Belastungssituationen und Tabuisierung von (psychischen) Problemen darzulegen.

Ergebnisse der Umfrage

Im Folgenden wollen wir die wichtigsten Fragen und Antworten darstellen:
 

Die große Mehrheit von 92,8 % (374 Studierende) sind bzw. sahen sich großem Druck durch das Studium ausgesetzt.

Vor allem in den ersten Semestern (Chemie: 161 Angaben: 40,6%, Knochentestat: 142 Angaben: 35,8%; Situs-Kurs: 208 Angaben: 52,4%) und zum Physikum (233: 58,7 %) gaben die Studierenden an, den höchsten Druck zu empfinden.

Eigene Ansprüche (77,2%) und das Umfeld von Universität & Kommiliton*innen (80,2%) wurden dabei als Hauptursachen genannt.

Die Mehrheit konnte angemessen mit dem Druck umgehen, doch 98 Studierenden (24,7 %) gelang dies nicht. Knapp ein Drittel (124 Studis; 30,8%) hätten sich weitere Ansprechpartner gewünscht.

Dieser große Handlungsbedarf wird durch die Antworten auf die Frage nach der Tabuisierung dieser Themen im Medizinstudium noch deutlicher:

 

Hier sind 235 Studierende (58,8%) der Meinung, dass psychische Krankheiten im Umfeld des Medizinstudiums tabuisiert sind.

In der dazu gehörenden Freitext-Option gaben viele an, dass über Schwächen, Belastungen und Angst vor dem Scheitern nicht offen geredet werden kann. Das Kleinreden und Bagatellisieren führe bei den Betroffenen zu weiteren Schwierigkeiten.

Im Psychiatrie-Praktikum werde vor allem auf manifeste psychisch Erkrankte eingegangen, während im Studium und Alltag gerade von Medizinstudierenden in ihren Problemen überwiegend unbeachtet bleiben würden.

Bisher wurden Angebote der Universität aufgrund des fehlenden Eingestehens der eigenen persönlichen Überforderung in Kombination mit dem Druck, als zukünftige*r Arzt*Ärztin ständig Stärke und Stabilität auszustrahlen, wenig wahrgenommen.

Wir fordern daher unbedingt von allen Beteiligten, dazu beizutragen, dass (nicht nur gesamtgesellschaftlich sondern besonders auch im universitären-klinischen Umfeld) eine Entstigmatisierung, eine Möglichkeit der Entzerrung des Studiums, mehr Offenheit für Betroffene zum Sprechen und besonders ein Paradigmenwandel in Bezug auf den Umgang mit Schwächen & inneren Krisen.

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“It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.”

Jiddu Krishnamurti

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Die AG Pass-auf-dich-auf setzt sich dafür ein, dass Studierende lernen, durch Offenheit & Aufklärung mit psychischen Belastungen umzugehen und sich selbst (und ihr geistiges Wohlbefinden) wichtig zu nehmen.

 

Hier gibt es weitere Informationen.